2016 / 2017

Der Künstler Paul Lipp ist Teil einer jüngeren Generation Innerschweizer Künstler, welche die Malerei wieder neu für sich entdeckt hat. Während seines Atelieraufenthalts in der Citè des Arts International in Paris im Sommer 2016, befasste er sich ausschliesslich mit diesem Medium. Paris stellte für Lipp einen produktiven Unterbruch dar. Hier vollzog sich nicht nur ein inspirierender Wandel der Arbeitsumgebung, er wechselte auch von der Öl- zur Acrylmalerei. Die Acrylfarbe eröffnete dem Künstler wiederum neue Möglichkeiten im Maltempo und Bildaufbau. Die Formate wurden allmählich grösser. Er arbeitete parallel an unterschiedlichen Bildern, meist an dreien, gleichzeitig.

Die in Paris entstandenen Malereien zeigen eine intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Formenrepertoire. Vor allem zeichnerische und geometrische Elemente sind in Paris stärker geworden. Die Werke wirken gestisch und expressiv, an gewissen Stellen düster, fast brachial, an anderen wiederum verspielt, poetisch oder gar humorvoll. Die vielen sich überlagernden Schichten verweisen auf einen intensiven Schaffensprozess. Sie verraten ein produktives Hin und Her zwischen Aktion und Reaktion, eine lustvolle Auseinandersetzung mit Farben und Formen direkt auf der Leinwand. Dabei vollzieht Lipp bei der Kombination unterschiedlicher stilistischer Elemente einen gelungenen Seilakt. Seine Bilder fallen in der Gesamtkomposition weder auseinander, noch wirken sie völlig harmonisch. Vielmehr enthalten sie eine intensive Spannung, welche die Betrachterinnen und Betrachter konfrontiert und sie zur eigenen emotionalen wie intellektuellen Auseinandersetzung auffordert.

Den unterschiedlichen Assoziationen sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Obwohl die Bilder kein Sujet haben, mögen gewisse Bildelemente an Blattwerk, Gebüsch oder Wälder erinnern, andere an urbane Räume wie Hochhäuser oder Baustellen. Die rätselhaft-poetischen Bildtitel regen die Fantasie weiter an. Dennoch ist kein hindernisloses oder gar kontemplatives Eintauchen in den Bildraum garantiert, dessen Tiefe stets zu changieren scheint. Denn Lipp vereint nicht nur unterschiedliche stilistische Elemente, auch die Gesten und Formen wirken stellenweise „abgebrochen“ oder „unterbrochen“. Ein Umstand, welcher der Auseinandersetzung jedoch keinen Abbruch tut – ganz im Gegenteil. Das Fragmentarische der Bild- und Stilelemente führt zu einer produktiven Irritation: Die Bilddeutungen erschöpfen nie, die Imagination kommt zu keinem Punkt. Vielmehr laden Lipps Bilder ihr Gegenüber zu immer neuem Sehen und Assoziieren ein.

 

Jana Bruggmann